Thurgauer Zeitung:
Frauenfeld bekommt Gassenküche


 – Sandra Kern
In knapp einem Monat öffnet an der Graben­strasse 12 in Frauen­feld die erste Gassenküche ihre Tore. Auch die Stadt zeigt sich erfreut über das Pro­jekt, welch­es auf ein­er pri­vat­en Ini­tia­tive gründet.
Das Gassenkücheteam: Susanne von Nieder­häuser, Jolan­da von Sieben­tal, Cora Badertsch­er, Jacque­line Roth, Salome Kern, San­dra Kern und Mar­i­on Brud­er­er (Matt Sure­mann und Moni­ka Fis­ch­er fehlen), ist ab dem 27. Okto­ber in Frauen­feld. (Bild: Dona­to Caspari)

Spät­zli-Gratin mit Salat, Suppe und Tee für ger­ade mal drei Franken statt Ham­burg­er, Pommes und Cola. Das will die erste Thur­gauer Gassenküche ab dem 27. Okto­ber in Frauen­feld anbi­eten. In Zukun­ft soll sich das Tor am ehe­ma­li­gen Thur­druck-Gebäude an der Graben­strasse 12 jeden Mittwoch um 11.30 Uhr öff­nen. In den hellen Räum­lichkeit­en im ersten Obergeschoss haben 50 Leute Platz. Aber schon mit zehn verkauften Mahlzeit­en pro Öff­nungstag trägt sich gemäss Busi­ness­plan von Pro­jek­tlei­t­erin San­dra Kern die Gassenküche fürs erste Geschäft­s­jahr, fürs zweite mit deren 15.

Zigarette statt Essen
San­dra Kern arbeit­et in der öffentlichen Ver­wal­tung. Die Idee für die Gassenküche ist ihr aber während eines Prak­tikums für ihr aktuelles Studi­um zur diplomierten Sozial­man­agerin an der FSSM Aarau gekom­men. Bei der Arbeit für eine Sozial­fir­ma sei ihr aufge­fall­en, dass für die angestell­ten Sozial­hil­feempfänger Ernährung nicht ober­ste Pri­or­ität habe. Die Zigarette in der Mit­tagspause sei vie­len wichtiger gewesen.
Seit Jan­u­ar befind­et sich die ini­tia­tive 42-Jährige nun in der Pla­nung, hat aus ein­er Bedarf­s­analyse einen Busi­ness­plan erstellt. Wenn sie dann am 27. Okto­ber die Eröff­nung zusam­men mit dem Pro­jek­t­team bei einem feinen Spät­zli-Gratin und vie­len Gästen feiern könne, wür­den ihr Steine vom Herzen fall­en. Die acht Köchin­nen, welche aus ihrem pri­vat­en Umfeld kom­men, von der Rent­ner­in bis zur Beruf­sköchin, arbeit­en ehre­namtlich. Die Gassenküche kon­nte als Pro­jekt beim Vere­in JUTG unterkom­men und zahlt in dessen Räum­lichkeit­en an der Graben­strasse auch keine Miete. Dazu kämen Spender und Spon­soren, finanziell und direkt mit Lebens­mit­teln, ohne die es nicht ginge.

Nieder­schwelliges Angebot
Auf dem Menü­plan ste­hen etwa Hörn­li mit Ghack­ets, Mah-Meh oder auch Geschnet­zeltes mit Kartof­fel­stock, dazu immer eine Gemüse­beilage sowie Salat und Suppe. Was übrig bleibt, darf eingepackt wer­den. Ziel­gruppe der Frauen­felder Gassenküche seien alle­in­ste­hende und allein­erziehende Für­sorgeempfänger sowie Men­schen knapp über dem Exis­tenzmin­i­mum. Aber auch ganze Fam­i­lien seien willkom­men. Das Ange­bot ist nieder­schwellig, man braucht sich nicht auszuweisen. Miss­brauch sei deshalb möglich, aber nicht im grossen Aus­mass zu erwarten, sagt Kern. Auch müsse sich nie­mand betr­e­f­fend Szenen­bil­dung oder Lärme­mis­sio­nen sor­gen. Die Gassenküche und ihre Umge­bung wür­den sucht­mit­tel­frei gehal­ten. Zudem sei der Aufen­thalt vor dem Gebäude nicht erwün­scht. Diese Regeln und auch die Öff­nungszeit­en wür­den strikt umge­set­zt werden.
Die Frauen­felder Stadträtin Christa Thorner, welche der Abteilung Soziales vorste­ht, weiss von der Gassenküche und beze­ich­net sie als einen sin­nvollen Puz­zlestein im Gesam­tange­bot. Denn neben der Möglichkeit, gesund und gün­stig Mit­tag zu essen, könne man im Kon­takt mit anderen Men­schen der sozialen Iso­la­tion ent­ge­gen­treten. Dieser Ver­suchs­be­trieb sei ide­al, um Erfahrun­gen zu sammeln.

Gratis Lebens­mit­tel beziehen
Anneliese Zingg, Lei­t­erin der städtis­chen Sozial­dien­ste, hat eben­falls grosse Freude am Gassenküche-Pro­jekt und find­et es wichtig, dass solche Pro­jek­te auch von Pri­vat­en ini­ti­iert werden.
Die «Tis­chlein deck dich»-Aktion, wo Lebens­mit­tel kosten­los verteilt wer­den, funk­tion­iere bestens, so Zingg. Aber wie auch beim Car­i­tas-Mobil mit den vergün­stigten Lebens­mit­teln müsse man sich entsprechend ausweisen.
(Von Math­ias Frei. Aktu­al­isiert am 04.10.2010, Thur­gauerZeitung)