Obwohl der 25. Dezember kein Mittwoch ist, öffnet die Gassenküche in diesem Jahr seine Türen. An Weihnachten selbst
ist für viele der Gäste aber dennoch nicht zu denken.
Frauenfeld Weihnachtsschmuck auf den Tischen oder an den Fenstern sucht man in der Frauenfelder Gassenküche auch acht Tage vor Heiligabend vergebens. Einzig ein paar Teelichter auf den Tischen strahlen ein wenig Wärme aus. Mehr sei nicht gewünscht, klärt Sandra Kern, Leiterin der Gassenküche, auf: «Viele meiner Gäste haben keine guten Erinnerungen an die Weihnachtszeit oder vermissen einen Angehörigen. Wir vom Gassenküchen-Team haben darum beschlossen, dass Weihnachten draussen bleiben muss.»
Eine grosse Familie
Vermisst wird das Lametta auch am Stammtisch nicht, da sitzen am vergangenen Mittwoch Jolanda, Agnes, Marco und Bruno gerade beim Mittagessen. Es gibt Reis mit Poulet und Erbsen, dazu eine Brotsuppe und Salat. Die Stimmung ist gut bei der Vierergruppe. Der Mittwoch sei der schönste Tag der Woche, so Jolanda nachdenklich: «Für mich sind Sandra Kern und ihr Team Engel. Wir alle dürfen hier Woche für Woche, wie in einer grossen Familie ein paar schöne Stunden verbringen, dabei werden wir auch noch bedient wie in einem Restaurant. So etwas gibt es wohl nur in Frauenfeld.
» Das kleine Grüppchen am Stammtisch ist eine eingeschworene Truppe, man ist über die Jahre zu Freunden geworden, kümmert sich umeinander und trifft sich auch einmal zum Spielnachmittag bei Agnes im 7. Stock. Alle sind sie bereits
seit mehreren Jahren Gäste in der Gassenküche und alle haben sie eine schwierige Geschichte. Agnes, die beste Freundin von Jolanda, macht daraus keinen Hehl: «Ich lebe am Existenzminimum, da bin ich natürlich froh, wenn ich einmal in
der Woche für nur 3 Franken ein Menü bekomme.» Die aufgestellte Dame mit der silberfarbenen Brille auf der Nase ist meist als erste in der Gassenküche, oft bringt sie etwas selbst gemachtes mit, so auch an diesem Mittwoch. In kleine Gläschen hat sie frische Quittenkonfitüre abgefüllt.
Viele Anmeldungen für den Weihnachtstag
In diesem Jahr beginnt Sandra Kern mit einer neuen Tradition. Sie öffnet zusammen mit ihrem Team die Gassenküche an Weihnachten. «Viele Gäste sind an Weihnachten alleine, damit ihnen nicht die Decke auf den Kopf fällt, bereiten wir
ein Festmahl zu», so die Leiterin der Gassenküche. Am vergangenen Mittwoch konnte man sich erstmals für diesen Tag anmelden. Die Talons, die auf den Tischen bereit lagen, füllten sich schnell. 50 werden sicher kommen, schätzt Kern.
Mit dabei sein wird auch Bruno vom Stammtisch, er hat seinen Namen gleich eingetragen, auch wenn zu diesem hohen Feiertag in der Gassenküche nicht dekortiert wird.
16 ausgesetzte Hühner werden zum Festmahl
Vor wenigen Wochen setzte ein 23–jähriger Schweizer in Happerswil 150 Masthühner aus. Bei den Tieren handelte es sich um sogenannte Mastpoulets. Eine Schlachtung war aufgrund der Genetik, die Tiere müssen innerhalb von fünf Wochen die
Schlachtreife erreichen, unvermeidbar. Krank waren die Tiere nicht. Nun landen 16 der Hühner am 25. Dezember auf den Tellern der Gassenküche und werden zum Festmahl. Auf die Idee kam das Veterinäramt, welches direkt bei der Gassenküche anfragte.