Herzlich willkommen am 25. Dezember 2017!


 – Sandra Kern

1200x800m

«Weihnachten ist eine schwierige Zeit»

TG-Nachricht­en, 30.11.2017

Während Wei­h­nacht­en in den meis­ten Haushal­ten heilig ist, hat sich die Grün­derin der Gassenküche, San­dra Kern, entsch­ieden, am 25. kein Fest in ihrem Restau­rant zu ver­anstal­ten. Und zwar aus einem ganz bes­timmten Grund.

Frauen­feld Geschmück­te Tan­nen­bäume, Guet­zli, Geschenke: Für die meis­ten Fam­i­lien in der Schweiz ist der 25. Dezem­ber der wichtig­ste Tag des Jahres. Das Fest der Liebe. Doch was, wenn man keine Fam­i­lie hat? Nie­mand da ist, mit dem man feiern kann? Wie sehen Per­so­n­en diesen Tag, die nicht so viel haben, wie andere? Wir haben bei San­dra Kern, Grün­derin der Gassenküche Frauen­feld, nachge­fragt. Und eine über­raschende sowie etwas trau­rige Antwort erhal­ten: «Wei­h­nacht­en find­et in der Gassenküche nicht statt.»

«Viele sind froh, wenn der 25. vorbei ist»

An Wei­h­nacht­en trau­rig zu sein, ist für den durch­schnit­tlichen Schweiz­er undenkbar. Laut der Met­ten­dor­ferin kön­nen sich aber längst nicht alle über den hohen Feiertag freuen: «Viele mein­er Gäste haben keine Fam­i­lie. Aus diesem Grund löst Wei­h­nacht­en in ihnen oft ein Gefühl von Trau­rigkeit aus. Sich an Wei­h­nacht­en ein­sam zu fühlen, ist nicht schön.» Über­all wird der 25. Dezem­ber als Fam­i­lien­fest dargestellt. Für Men­schen, die am Exis­tenzmin­i­mum leben, sei das schw­er mit anzuse­hen, so Kern weit­er. Aus diesem Grund hat sich Kern für den 25. Dezem­ber nichts Beson­deres ein­fall­en lassen. Schlicht, aber mit Herz, lautet die Devise. So wie an jedem anderen Tag in der Gassenküche auch. «Ich habe schon vor Jahren damit aufge­hört, das Restau­rant wei­h­nächtlich zu schmück­en. Ich will meine Gäste nicht an den Feiertag erin­nern, das würde sie nur trau­rig stim­men.» Deko­ri­eren werde sie ein­fach und fröh­lich. So wie immer eben. Denn: Ihre Gäste seien jew­eils froh, wenn Wei­h­nacht­en vor­bei ist oder wenn es den Feiertag gar nicht erst geben würde.

Ein selbst gekochtes Essen

Wenn schon nicht die Stim­mung und die Deko­ra­tion, ist wenig­stens das Essen wei­h­nächtlich ange­haucht. «Nor­maler­weise koche ich am 25. Dezem­ber jew­eils selb­st. In diesem Jahr wird das aber nicht im gle­ichen Rah­men möglich sein, wie son­st auch», erk­lärt Kern und schaut auf ihre Krück­en. Ein Überbleib­sel ihrer Knieop­er­a­tion von vor ein paar Wochen. Ihre «VIPs», wie Kern ihre Gäste liebevoll nen­nt, müssen aber trotz der kör­per­lichen Ein­schränkung nicht auf sie verzicht­en. «Da sein werde ich auf jeden Fall. Das ist für mich selb­stver­ständlich.» Während im let­zten Jahr Ragout nach Gross­mut­ter­art zubere­it­et wurde, hat Kern für dieses Jahr etwas anderes im Kopf: «Ich dachte, ich kön­nte mal wieder einen fes­tlichen Brat­en machen. Mit Beilage und allem, was dazuge­hört.» Seit zwei Jahren gehören auch Geschenke dazu. «Die Kirche Wän­gi hat mich vor­let­ztes Jahr gefragt, ob sie für meine Gäste Präsente zusam­men­stellen darf. Sei­ther ist das schon fast zur Tra­di­tion gewor­den. Auch in diesem Jahr wird es wieder einen Gaben­tisch geben», berichtet Kern erfreut. Anders als in vie­len Fam­i­lien üblich, wer­den keine teuren Dinge wie Lap­tops oder Kon­solen ver­schenkt. Vielmehr sind es Sachen, die die Men­schen am Exis­tenzmin­i­mum gut gebrauchen kön­nen. Laut Kern ist aber die Freude über diese Präsente jedes Jahr uner­messlich gross: «Meis­tens erhal­ten meine ‘VIPs’ Duschgel, Body­lo­tion oder Rasier­schaum. Es hat schon Freuden­trä­nen gegeben, weil die Gäste so gerührt waren.» In diesem Jahr dür­fen sich die Besuch­er der Gassenküche sog­ar über ein zweites Geschenk freuen. Eine namhafte Auto­g­a­rage aus Frauen­feld hat sich näm­lich bere­it­erk­lärt, die Kosten für das Essen an Wei­h­nacht­en zu übernehmen. Ausser­dem dür­fen Gäste für ein­mal ihre Fre­unde oder Fam­i­lien­mit­glieder mit­brin­gen. So wird ihnen dieser Tag wenig­stens ein biss­chen erträglich­er gemacht. Auch Kern ver­sucht ihr Bestes, wie sie zum Schluss erk­lärt: «Wei­h­nacht­en ist eine schwierige Zeit für meine Gäste. Mit meinem Essen und guter Stim­mung ver­suche ich, sie ein biss­chen davon abzulenken.»

Gut zu wissen

Die Gassenküche Frauen­feld ist am Mon­tag, 25. Dezem­ber wie üblich geöffnet. Dafür bleibt das Restau­rant am Mittwoch vorher und nach­her geschlossen. Ein­ge­laden sind alle, die am Exis­tenzmin­i­mum leben oder AHV oder IV mit Ergänzungsleis­tung beantra­gen und Wei­h­nacht­en nicht alleine ver­brin­gen wollen. Essen gibt es ab 11.30 Uhr, Gäste dür­fen auch schon vorher kom­men. js